Kennst du das Gefühl, wenn du dich auf einen schönen Abend mit Freunden freust, aber dann eine kurzfristige Absage kommt? Oder wenn dir jemand verspricht, sich zu melden – und es dann einfach nicht tut? Das sind Mikroenttäuschungen. Beim Surfen im Internet geschieht dies, wenn du auf einen Link klickst und dein Ziel nicht aufgerufen wird, oder wenn das mobil heruntergeladene PDF plötzlich mehrere hundert Megabyte groß ist.
Mikroenttäuschungen sind kleine Stiche des (Web)Alltags und ich möchte dir einen Einblick geben, wie du damit umgehen kannst.
Ich habe den Artikel 2018 zum ersten Mal veröffentlicht und Ende 2020 zuletzt aktualisiert.
Der Versuch einer Definition: Was sind Mikroenttäuschungen?
Mikroenttäuschungen sind kleine, oft unscheinbare Momente, in denen unsere Erwartungen nicht erfüllt werden. Sie sind keine großen Katastrophen, aber sie hinterlassen einen Stich. Eine nicht erwiderte Geste, eine unachtsame Bemerkung oder eine unerwartete Zurückweisung – all das kann eine Mikroenttäuschung sein.
Das Besondere an diesen kleinen Enttäuschungen ist, dass sie sich summieren können. Ein einzelner Vorfall mag uns nicht aus der Bahn werfen, aber wenn sich viele solcher Momente aneinanderreihen, kann das an unserem Wohlbefinden nagen. Dies kann dazu führen, dass wir eine Website verlassen oder den Anfrageknopf nicht drücken. Als Webmaster solltest du solche Auslöser daher unbedingt vermeiden.
Der Duden kennt lediglich das Substantiv der „Enttäuschung“. Sie beschreibt das Gefühl der zerstörten Hoffnung, meist durch ein unerwartetes Ereignis hervorgerufen, was einem Kummer bereitet. Der Präfix „Mikro“ wird oft als Maßeinheit verwendet, um ein Substantiv zu verkleinern – so auch in diesem Fall.
Er wird in verschiedenen wissenschaftlichen, technischen und alltäglichen Kontexten verwendet. Hier sind einige Beispiele für Maßeinheiten, die „Mikro“ verwenden:
Mikrofarad (µF): Ein Millionstel Farad (0,000001 F). Wird in der Elektronik für Kondensatoren verwendet.
Länge: Mikrometer (µm): Ein Millionstel Meter (0,000001 m). Wird oft in der Biologie oder Materialwissenschaft verwendet, um sehr kleine Strukturen zu messen.
Zeit: Mikrosekunde (µs): Ein Millionstel Sekunde (0,000001 s). Wird in der Elektronik oder Physik für sehr kurze Zeitintervalle genutzt.
Masse: Mikrogramm (µg): Ein Millionstel Gramm (0,000001 g). Wird in der Chemie oder Medizin verwendet, um sehr kleine Mengen zu messen.
Volumen: Mikroliter (µl): Ein Millionstel Liter (0,000001 l). Wird in der Biologie oder Chemie für Flüssigkeitsmengen eingesetzt.
Elektrische Größen: Mikroampere (µA): Ein Millionstel Ampere (0,000001 A). Wird in der Elektrotechnik verwendet.
Mikrovolt (µV): Ein Millionstel Volt (0,000001 V).
Druck: Mikrobar (µbar): Ein Millionstel Bar (0,000001 bar). Wird in der Meteorologie oder Physik verwendet.
Leistung: Mikrowatt (µW): Ein Millionstel Watt (0,000001 W).
Somit können mit dem Wort „Mikroenttäuschungen“ die kleine, fast unbemerkt auftretenden und kaum messbaren Enttäuschungen beschrieben werden. Kurzwörter der ersten Phase könnten sein: „Mhh“ oder „Ahrgh“ oder wahrscheinlich ein typisches „Hä?“. Also ein Aufschrei der Verwunderung, ohne dem Gefühl einen weiteren Wert beizumessen. Die zweite Stufe zieht weitere Laute und Formen der Missachtung nach sich.
Warum ich mich gegen die Schreibweise „Mikro-Enttäuschung“ entschieden habe?
Durch die Kopplung der Wörter „Mikro“ und „Enttäuschung“ zu „Mikro-Enttäuschung“ würden zwei Wörter entstehen, was für mich nicht korrekt erscheint. Die Schreibweise mit „c“ („Micro“) wirkt zwar geschmeidiger, erinnert aber an einen denglischen Begriff.
Wenn wir uns den Begriff näher betrachten, können wir abschließend den Bogen zum Onlinemarketing schlagen.
- Worte & formulierungen werden missverständlich genutzt1
- Meine Erwartung wird nicht erfüllt, was mich betrübt.
- Dies setzt voraus, dass ich meine Erwartung zumindest halbwegs bewusst wahrnehme oder möglicherweise im Voraus definiert habe.
Im Onlinemarketing sprechen wir oft von Nutzersignalen und davon, den Nutzer zufriedenzustellen. Eine Suchmaschine interpretiert die Erwartung des Nutzers anhand seiner Eingabe und zeigt ihm Ergebnisse an, die bestmöglich zu dieser Erwartung passen.
Die Webseite, auf die der Nutzer nach einem Klick gelangt, nimmt diese Erwartung ebenfalls auf und versucht, sie bestmöglich zu erfüllen. Das freut sowohl Google als auch den Webseitenbetreiber. Gelingt es dem Webmaster, springt der Nutzer nicht zurück zur Suche, sondern begibt sich auf eine gezielte Reise durch die eigene Website. Am Ende dieser Reise folgt im Idealfall eine Konvertierung – ganz gleich, wie diese sich zeigt.
Zwei Arten von Erwartungshaltungen existieren, die du kennen solltest:
- Reine Vermutung
- Ein Anspruch
Und was ist der Unterschied? Stell dir vor, du besuchst eine Website und erwartest Informationen zu einem bestimmten Thema. Bei einem Autokonfigurator erwartest du zum Beispiel, den Endpreis deines Wunschautos zu sehen. Wenn nach der Konfiguration jedoch kein Preis, sondern ein Anfrageformular erscheint, bist du enttäuscht. Deine Erwartung basierte auf einer Vermutung und wurde nicht erfüllt.
Anders sieht es aus, wenn du von einem Freund erfährst, was er für sein Auto bezahlt hat, und du mit derselben Konfiguration zu einem Autohändler gehst. Dort teilt dir der Verkäufer mit, dass du einen höheren Preis zahlen musst. Das empört dich! Wie kann es sein, dass du für die gleiche Konfiguration mehr bezahlen sollst? Dein Anspruch wird nicht erfüllt und du bist sicherlich nicht nur enttäuscht, sondern möglicherweise sogar wütend.
Basiert deine Erwartung nur auf einer Vermutung, kannst du eher darüber hinwegsehen. Du akzeptierst, dass du im Moment nichts ändern kannst.
Im Internet verschwimmt die Unterscheidung zwischen Vermutung und Anspruch zunehmend.
Beruht deine Erwartung jedoch auf einem Anspruch, entsteht ein ungutes Gefühl in dir. Du fühlst dich nicht wertgeschätzt. Entweder ziehst du dich zurück oder lässt deinem Ärger freien Lauf, um dein Bedürfnis deutlich zu machen.
Vor allem durch Social Media neigt die Erwartungshaltung immer häufiger dazu, in den Bereich des Anspruchs abzudriften. Eine nicht erfüllte Erwartung, die auf einer Vermutung basiert, kann als Mikroenttäuschung verstanden werden.
Manchmal sind es auch alte Erfahrungen, die wieder aufleben. Wenn du zum Beispiel als Kind oft das Gefühl hattest, nicht gehört zu werden, kann eine heutige Mikroenttäuschung dieses Gefühl verstärken.
Warum treffen uns Mikroenttäuschungen?
Mikroenttäuschungen tun weh, weil sie oft unser Bedürfnis nach Anerkennung, Sicherheit oder Verbindung berühren. Wenn diese Bedürfnisse – auch nur in kleinen Momenten – nicht erfüllt werden, fühlt sich das unangenehm an.
Der eigene „Enttäuschungsspeicher“
Einige Situationen können klassisch mit „1“ oder „0“, mit „glücklich oder „unglücklich“, mit „enttäuscht“ oder zufrieden“ beantwortet werden. Soll ein Termin um 14:00 Uhr beginnen, bin ich enttäuscht, wenn mein Gesprächspartner erst um 14:10 Uhr erscheint. Diese Situationsbeschreibung wird keine zwei Perspektiven zulassen, nur der Umgang mit der Unpünktlichkeit kann variieren, je nach eigenen „Enttäuschungsspeicher“. Also der Toleranz gegenüber Unpünktlichkeit.
Meine Pünktlichkeit drückt aus, dass mir deine Zeit so wertvoll ist wie meine eigene.
Helga Schäferling, deutsche Sozialpädagogin
Allerdings besitzt jeder Mensch seine eigene innere Uhr.2 Wenn der Andere beispielsweise schon um 13:55 Uhr da ist, könntest du trotzdem unzufrieden sein. Vielleicht hattest du gehofft, dass der Gegenüber bereits um 13:45 Uhr ankommt, damit ihr noch etwas besprechen könnt. Auch hier wird eine Mikroenttäuschung ausgelöst.
Wahrscheinlich wird sie in deinem Speicher aber kaum auffallen. Du bist nicht direkt am Boden zerstört und wirst deinem Gegenüber wahrscheinlich nichts sagen, aber im Inneren bist du etwas unglücklich.

Der Suchprozess im Onlinemarketing
Übertragen wir diese Annahme in die Welt des Onlinemarketings.
Stell dir vor, du suchst nach „bestes Lego Technic Modell“. Was erwartest du?
- Ich erwarte eine Liste von etwa 10 Modellen, die prägnant erklären, was jedes Modell zum „besten“ macht
- Du erwartest eventuell ein Video, mit eben diesem Inhalt
- Und andere Nutzer schlicht die Antwort: Mercedes Benz Acros 😉

Welt.de testet den Mercedes Arocs, die Videos zeigen die 10 besten Sets, das Enttäuschendste und die 20 größten Modelle, Stonewars.de zeigt die 10 größten Lego Sets aller Zeiten und beginnt mit Platz 13 :), im Technic-Dialog gibt es eine Foren-Umfrage, zusammengebaut.com sucht innerhalb einer News das beste Set und Brick-Family.de wirft mit Affiliate-Links um sich und erhält damit Aufmerksamkeit.

Nach dem Produkt-Karussel einiger aktueller Sets folgen drei Videos mit Einzelmodellen und eines mit einer Top-5-Liste.
Fragen: Autozeitung.de zeigt eine Top-10-Liste und anhand der anderen Antworten erkenne ich bereits, dass mein Bedürfnis nicht erfüllt wird. Allerdings sind die Antworten sicherlich interessant, um in das Thema weiter einzusteigen.
Nun folgt die Technic-Seite von Lego, und erneut der Artikel der Autozeitung. Promobricks zeigt die 10 größten Sets und Gamestar vergleicht in einem Werbeartikel den Mercedes Benz Acros mit der Variante von Mould King.
Die weiteren Ergebnisse werden von anderen Spezial-Listen dominiert: x-Sets für Erwachsene, y ferngesteuerte Sets, … .
Die Darstellung der Ergebnisse sind nach sieben Jahren gänzlich anders, aber zumindest meine Erwartungshaltung wird nicht bedient.
Meine Mikroenttäuschungen
oder besser geschrieben – meine Momente des Konsums der Webseiten. In vielen Situationen denken wir Menschen ähnlich oder zumindest vergleichbar. Ich gebe lediglich ein Beispiel wieder.
Ein Mercedes zum Selberbauen: Der Artikel entspricht nicht meinen Erwartungen (Skepsis), aber das Modell schaut toll aus. Ich scrolle ein wenig und sehe verlockende Bilder, wodurch ich tiefer in den Artikel eintauche.
–> Ja, der Artikel erfüllt nicht meine Erwartungen, ist aber spannend. Ich kann nachvollziehen, warum mir Google diesen anzeigt.
Videos: Ich persönlich suchte kein Video, also überspringe ich diese Zeile geflissentlich.
Die größten LEGO Sets aller Zeiten: Im Meta-Title und im Artikelbild steht geschrieben, dass ich nun eine Auflistung von 10 Modellen erwarten kann. Begonnen wird mit Platz 13, dem Todesstern. Platz 13? Ich scrolle kurz und bemerke: „In der Tat mehr als 10 Modelle“. Meine Marketingsicht denkt sich kurz: unpassend. Meine Kundensynapse allerdings freut sich auf eine größere Liste.
Streng genommen könnten wir nun die Begrifflichkeit der Mikroenttäuschung um die Wortschöpfung ARGH ARGH ergänzen.
Ich lese die Begründung, „dass mittlerweile noch zwei Sets dazu gekommen sind“ wodurch „aus der Top 10 eine Top 13 geworden“ ist. Mein Kopf sagt: „Oh man, lern zählen“. Ich zweifle an der Qualität der Seite und meine „Marketinghirnhälfte“ schreit: „Affiliateseite“.
Die Liste sagt mir dennoch zu! Google allerdings liegt falsch, denn ich habe ja nach Lego Technic Sets gesucht. Also lande ich nach dem Lesen wieder in der Suchmaschine. In meinen Augen sind alle anderen Ergebnisse ebenfalls unpassend, wodurch ich „Ähnliche Suchanfragen“ verwende.
Meine Mikroenttäuschungen
Erneut möchte ich dir mein Klick-Erlebnis näher bringen und dadurch ein persönliches Beispiel für diese kleine Variante einer Enttäuschung liefern. Am Ende der Ausführung werde ich ein Resumé gezogen haben.
Enttäuschung ist das Ergebnis falscher Erwartungen.
Andreas Tenzer, deutscher Philosoph und Pädagoge
Über den Produkte-Bereich scrolle ich direkt, denn ich suche ja nach einer konkreten Information. Die Video-Sektion empfinde ich da schon passender, obwohl ich mir derzeit gar keines ansehen möchte. Hier kann ich allerdings die Intention von Google nachvollziehen: „Die besten LEGO® Sets der letzten 25 Jahre! Teil 4 – 2014-2017“ gibt mir in knapp 34 Minuten eine passende Antwort. Folgend die Videos „Das beste LEGO Technic Set aller Zeiten! – LEGO Technic 8880 Super Car“ sowie „Die besten LEGO® Sets der letzten 25 Jahre! Teil 1 – 1999-2004“ – beide durchaus passend. Diese beiden Videos kann ich nachvollziehen und in das vierte Video vom 30.12.2022 mit dem Namen „TOP 5: Die BESTEN LEGO® Technic Sets von 2022 im Ranking!“ klicke ich nur kurz rein. Sicherlich für einige Suchenden durchaus akzeptabel, daher möchte ich dies nicht schlimmer schreiben, als es sein wird.
Das nun allerdings Lego selbst mit einem Meta-Title: „Die besten LEGO Technic Sets“ zu finden ist und hier lediglich die aktuellsten Modelle dargestellt werden, enttäuscht mich sehr. Anfang 2025 werden übrigens 9 (Renn)autos, 2 Motorräder und somit noch 5 weitere Modelle präsentiert. Bei einem Set handelt es sich um ein „Baustellenfahrzeug“ (John Deere 948-II Skidder.
Mit der Marketing-brille finde ich den Artikel der Autozeitung hervorragend. Ein Thema, mit einem hohen Suchvolumen wird thematisch passend bespielt. Aus meiner Suchenden-Sicht, bin ich allerdings enttäuscht. Das Thema ist sehr speziell auf Autos zugeschnitten, dies bildet nicht meine Erwartungshaltung ab.
Die weiteren Artikel kann ich meist grundsätzlich nachvollziehen, aber enttäuschen mich im Allgemein dennoch. Ich möchte dich beim Lesen aber ebenfalls nicht weiter mit diesem eindimensionalem Beispiel langweilen und versuche ein weiteres Beispiel zu finden.
Beispiele aus dem Web-Alltag
Die kleinen Dinge, die scheinbar unwichtig sind, die beim Kunden ein leises “Nein” auslösen
Katharina Stapel, Marketing-Strategin
Durch folgende Dinge wird mein persönlicher Enttäuschungsspeicher häufig auf Websites gefüllt. Spätestens beim dritten unersichtlichen Fehlers in einem Kontaktformular gebe ich auf.
- Wenn ich auf einen Link klicke und mich dieser auf eine 404-Fehlerseite führt
- Oder ein Link gar nicht als solcher ersichtlich ist
- Ich ein Kontaktformular ausfülle und die Fehlermeldung nicht eindeutig ist
- Bereits ausgefüllte Felder eines Kontaktformulares nicht übergeben werden
- Ich AGBs oder Email, oder Email-Adresse sehe (AGB und E-Mail-Adresse ist korrekt)
- Ankerlinks nicht korrekt scrollen
- Die (Haupt-)Menüpunkte auf Websites nicht klickbar sind
Allgemein stört es mich, wenn „digital erwartbare Dinge“ sich nicht so verhaltenb, wie angenommen.
Das Verständnis als Fazit
Mikroenttäuschungen sind kleine Störungen in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen – aber sie sind auch eine Chance, bewusster mit unseren Erwartungen und Gefühlen umzugehen. Wenn wir lernen, sie als das zu sehen, was sie sind – kleine Wellen und keine Tsunamis – dann behalten wir unser emotionales Gleichgewicht.
Im Alltag haben wir keine Kontrolle über andere, wodurch Enttäuschungen unvermeidbar sind. Allerdings können wir mit passenden Inhalten auf den Websites vorbeugen. Also, aufpassen welche Erwartungen du beim Gegenüber erzeugt.
Hast du schon einmal eine Mikroenttäuschung erlebt, die dich mehr beschäftigt hat, als du es erwartet hättest? Teile gerne deine Gedanken dazu! ; )
- Jonathan Lösel am 15. Januar 2022 auf knigge-rat.de: Alltagsrassismus ↩︎
- Ardalpha.de vom 20. März 2024 Der Chronotyp ist genetisch festgelegt. Zugriff am 25. Februar 2025 ↩︎